Anlagerisiken: Genügt der Verkaufs-/Emissionsprospekt der Aufklärungspflicht?
In seinem Beschluss vom 28.04.2016 hat der Bundesgerichtshof (BGH) erneut zu der in den unteren Instanzen umstrittenen Frage Stellung genommen, ob ein Anlagevermittler seinen Pflichten zur Aufklärung über Risiken eines Produktes auch durch Übergabe des Emissions- oder Verkaufsprospektes nachkommen kann. Auch nach der neuerlichen Entscheidung des BGH vom 28. April 2016 ersetzt die rechtzeitige Übergabe eines Verkaufs- oder Emissionsprospektes die mündliche Information des Anlagevermittlers über Inhalt und Risiken der angebotenen Anlage. Der BGH fordert in diesem Zusammenhang allerdings, dass der Verkaufsprospekt so rechtzeitig übergeben wird, dass der Anleger in Ruhe die Möglichkeit hat, sich den Emissions- oder Verkaufsprospekt durchzulesen und darüber hinaus der Vermittler auch keine, dem Prospekt widersprechenden Angaben zu den Risiken und dem Inhalt der Anlage macht.
Liegen diese Voraussetzungen vor, so kann sich der Kunde grundsätzlich nicht darauf berufen, dass er lediglich den Verkaufsprospekt erhalten hat. Dies trifft auch dann zu, wenn der Verkaufsprospekt umfangreicher ist und eine intensive Beschäftigung erfordert. Dies kann allenfalls Einfluss auf die Länge der Überlegungsfrist haben (siehe auch BGH – III ZR 404/12 -).
Anders verhält es sich nach Ansicht des BGH dann, wenn der Kunde die Anlage bereits gezeichnet hat. Dann sieht er grundsätzlich keine Verpflichtung, sich einen umfangreicheren Verkaufs-/Emissionsprospekt durchzulesen (so BGH – III ZR 249/09 -). Dies hatte in der Vergangenheit das Brandenburgische Oberlandesgericht in der Entscheidung – 4 U 46/14 – anders gesehen und eine solche Pflicht auch zur nachträglichen Lektüre eines Verkaufs- oder Emissionsprospektes festgestellt und es als grob fahrlässig angesehen, wenn diese Lektüre nicht erfolgt. Der BGH hat in seinem Beschluss – III ZR 90/15 – die Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichtes aus anderen Gründen bestätigt und ausdrücklich Zweifel daran geäußert, dass er von der bisherigen Rechtsprechung des BGH und einer fehlenden Pflicht, einen Verkaufs- oder Emissionsprospekt nachträglich durchzulesen, abrücken würde.
Stand: 01.06.2020